Energiewende: Effizienzsteigerung und Energiesparen

Welche Folgen hat die Energiewende für die Stromversorgung? Wie können die Ziele der Energiewende erreicht werden? Und was tun, wenn erneuerbare Energien nicht ausreichen? Prof. Dr. Stefan Schaltegger, Leiter des Centre for Sustainability Management (CSM) sowie des MBA Sustainability Management, und Damian Arikas, wissenschaftlicher Mitarbeiter des CSM, Leuphana Universität Lüneburg, beantworten diese Fragen.

Wie kann man die Ziele der Energiewende erreichen?

Damian Arikas

Damian Arikas, Centre for Sustainability Management (CSM), Leuphana Universität Lüneburg.

Das Ziel der deutschen Energiewende kann nur die möglichst vollständige und schnelle Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sein. Wesentliche Herausforderungen, um dies zu erreichen, stehen uns noch bevor:

Energieeinsparung und -effizienzsteigerung: Zwischen 2015 und 2022 werden die restlichen Atomkraftwerke vom Netz genommen, ihre Leistung muss bis dahin ersetzt werden. Dies allein dürfte bei dem gerade anhaltenden Zubau möglich sein. Parallel dazu müssen jedoch auch die bestehenden Kohlekraftwerke schnellstmöglich durch erneuerbare Energien ersetzt werden: Einerseits weil ihr Betrieb nicht mit den Klimaschutzzielen vereinbar ist, andererseits weil sie nicht – wie z. B. Gaskraftwerke – flexibel genug reagieren können, um kurzfristige Spannungsschwankungen auszugleichen. Ohnehin ist der Kohlekraftwerkspark in Deutschland überaltert. Fast alle Neubauprojekte stocken oder wurden bereits gestoppt – manche wegen Finanzierungsschwierigkeiten, andere wegen Bürgerprotesten. Energieeinsparungen, Energieeffizienzsteigerungen und „Demand Side Management” (siehe Teil 3) sind deshalb in beträchtlichem Umfang gefordert.

Energiewende und Stromversorgung

Speicher und Vorhalte-Gaskraftwerke: Aufgrund der Wetterabhängigkeit der Erneuerbaren müssen Stromschwankungen zu jeder Zeit und rasch ausgeglichen werden können. Neben einem funktionierenden EU-Strommarkt für erneuerbare Energien, der einen interregionalen Strombedarfsausgleich ermöglicht, sind ein auf die erneuerbaren Energien abgestimmter Netzausbau und weitere Stromspeicher nötig. Hier bieten sich z. B. Speicher mit flexiblen Gaskraftwerken – auch Power-to-gas (Windgas) genannt – an, da Pumpspeicherkraftwerke für eine flächendeckende Angebotssicherheit, z. B. an nebligen, windarmen Winterwochen, rasch an ihre Grenzen stoßen.Hieraus ergibt sich ein breites Aufgabenfeld für die weitere erfolgreiche Entwicklung der Energiewende. Dabei wird auch deutlich, dass eine substanzielle Steigerung der Energieeffizienz und das Energiesparen für das Gelingen der Energiewende enorm wichtig sind.

alte Elektrogeraete(c) akiyoko/Fotolia.com

Alte Elektrogeräte.

Appelle wirken selten: Energiesparen ist für viele Verbraucher finanziell nach wie vor noch nicht attraktiv genug. Im Langzeittrend sind die Energiepreise – je nach EU-Land – seit 1980 kaufkraftbereinigt gesunken oder zumindest nicht substanziell gestiegen. Suffizienzgedanken sind zudem bei Verbrauchern, Wirtschaft und Politik wenig populär und die Änderung langjährig eingefahrener Verhaltensweisen – und dies gleich bei Millionen von Menschen – bleibt schwierig.

Energiewende und Energiesparen

Anders als bei den Ausbauzielen sind beim Energiesparen die Erfolge bisher vergleichsweise gering und bleiben weit hinter den gesetzten Zielen (EU-Ziel: 20 Prozent Einsparung bis 2020) zurück. Hierfür können unterschiedliche Ursachen geltend gemacht werden:

Zahlreiche professionelle Kampagnen wurden bereits zu diesem Zweck geführt, doch selbst bei einfachen Maßnahmen wie z. B. der Vermeidung des Standby-Betriebs sind die Erfolge gering. Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften ist dies jedoch nicht erstaunlich, da Appelle selten nützen, wenn sie nicht mit anderen Anreizen verknüpft sind.

Es gibt aber auch Anzeichen struktureller Änderungen. So kommen zunehmend energieeffiziente Produkte auf den Markt und führen zu Energieeinsparungen in Haushalten und Betrieben. Im Unterschied zu privaten Haushalten schaffen steigende Preise bei Unternehmen mehr Bewusstsein fürs Energiesparen: Potenziale für Kosteneinsparungen werden besser erkannt und unterstützen bei Investitionsentscheidungen die Wahl für effizientere Produktionsmittel.

Energiewende: Was kann die Politik tun?

Zudem kann die Politik zahlreiche Hebel aktivieren, um Energieeffizienzmaßnahmen zu unterstützen. Viele dieser Maßnahmen wirken sich zusätzlich zu den erzielbaren Spareffekten auch positiv auf Technologieentwicklung und Konjunktur in Deutschland aus.Einige interessante Ansatzpunkte sind:

  • Gesetzliche Rahmenbedingungen, die das Mieter-Vermieter-Dilemma lösen, könnten gewaltige Einsparpotenziale nutzen. Derzeit bestehen falsche Anreize für Vermieter, auf Energiesparmaßnahmen zu verzichten, da die Kosten von Energieineffizienz über die Nebenkosten von Mietern getragen werden. Ansatzpunkte liefern Anreize für die Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen in Mietshäusern.
  • Die Einführung von Top-Runner-Programmen (d. h. den Verbrauch der effizientesten Geräte auf dem Markt zum Standard erheben, der zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft erreicht werden muss) bei energieverbrauchenden Geräten würde ineffiziente Geräte vom Markt drängen und zu einem Innovationsschub im Effizienzbereich führen. In Japan wurde dieses Modell mit Erfolg eingesetzt.
  • „Abwrackprämien” für alte, ineffiziente Elektrogeräte würden Verbraucher motivieren, alte Geräte abzugeben und neue, effiziente anzuschaffen. In einigen Regionen bieten Stadtwerke eine solche Prämie, sie sollte aber flächendeckend eingeführt und entsprechend beworben werden.
  • Energieberatungen von Unternehmen und Privathaushalten sollten kostenfrei und bundesweit – möglicherweise sogar verpflichtend, ähnlich dem TÜV – durchgeführt werden.
  • Zu guter Letzt kann auch der Staat selbst beim Energiesparen wesentlich mehr tun, beispielsweise durch eine nach Effizienzkriterien ausgerichtete öffentliche Beschaffung, durch intelligente Systeme für öffentliche Straßenbeleuchtung und Effizienzmaßnahmen plus Energiemanagement in öffentlichen Gebäuden.

Energiewende und Energieeffizienz

Die jüngst erweiterten Ausnahmegenehmigungen für energieintensive Betriebe bei der EEG-Umlage und der Ökosteuer sind als unökonomisches, deutliches zentralplanerisch gedachtes Politikversagen und die Außerkraftsetzung der Energiezielsetzungen zu werten. Ausnahmegenehmigungen fördern den Strukturerhalt und lähmen die Innovationskraft der Branche. Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen kann unter Beibehaltung des richtigen Energiesparanreizes sehr viel besser dadurch erreicht werden, dass die Einnahmen aus EEG-Umlage und Ökosteuer einer Branche pro Arbeitsplatz rückerstattet werden. Damit ist die Steuer oder Umlage staatsneutral (der Staat erhält keine Einnahmen aus dieser Steuer) bzw. branchenneutral (die Branche wird insgesamt durch die Umlage netto betrachtet nicht belastet). Allerdings wird ein brancheninterner Wettbewerb in Gang gesetzt, möglichst energieeffizient zu sein, um netto weniger zahlen zu müssen und mehr Rückerstattung zu erhalten.

Autorin: Karin Adolph

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